Arbeitsverständnis

 

Nach dem Studium der Medizin habe ich die ersten fünf Jahre im Bereich der akuten Psychiatrie gearbeitet. Von dort habe ich mitgenommen, dass es zwar schwierig, aber außerordentlich wichtig ist, die Balance zu halten zwischen der Freiheit, Eigenverantwortlichkeit und Würde der erkrankten Menschen, ihnen aber auch den notwendigen Schutz zu verschaffen, sich und andere Menschen nicht zu schädigen, wenn sie selber den Überblick verloren haben.

In dieser Zeit habe ich auch gelernt, dass es Situationen gibt, in denen Medikamente unverzichtbar sind und manchmal dort helfen können, wo Worte nicht mehr hinreichen. 

Später, im Bereich der eher psychotherapeutisch ausgerichteten Arbeit, habe ich mich oft gefragt, wie und wodurch das Gespräch helfen kann. Die konkurrierenden Streitigkeiten der unterschiedlichen Schulen sind mir bis heute nicht verständlich. Es scheint klar zu sein, dass sowohl unsere Anlagen wie auch unsere Erfahrungen uns in gewisser Weise festlegen, die Welt und ihre Menschen zu erleben und mit ihnen umzugehen. Wir entwickeln Schemata oder Muster des Verhaltens, die mal mehr und mal weniger geeignet sind, Konflikte und anstehende Aufgaben zu bewältigen. 

Die Aufgabe der Therapeuten sehe ich in erster Linie darin, mit den Menschen / Klienten gemeinsam nach ihren Mustern / Schemata (auch deren Historie) zu suchen und mit ihnen die Auswirkungen im Kontext der Beziehungen und aktuellen Konflikte zu erkunden. Es folgt dann die Analyse, was veränderbar sein könnte und was eher akzeptierend hingenommen werden sollte.  Zu den verändernden Faktoren gehören m.E. auch Medikamente, deren Einsatz in diesem Kontext sorgsam mit überdacht wird. 

 

Da es sich bei der Psyche und ihren Störungen meistens um hochkomplexe Zusammenhänge handelt, glaube ich heute fest daran, dass Psychotherapie kein Luxus ist, sondern eine bescheidene Möglichkeit, mit etwas Glück den Blick auf sich selbst und durch sich selbst  zu erweitern und damit seine Möglichkeiten zu vermehren, Konflikte zu bewältigen und zu lösen. 

 

Medikamente können dabei in akuten Krisen eine wichtige Rolle spielen, bei manchen Störungen ist auch ein dauerhafter Einsatz sinnvoll ("z.B. bei chronischen Psychosen").

Medikamente, die süchtig machen, werden von mir nur in akuten Notfällen verordnet, für die keine anderen Präparate zur Verfügung stehen, und anschließend sofort wieder abgesetzt. 

 

Ansonsten gilt die Devise: "So wenig wie möglich und so viel wie nötig". 

 

Insbesondere durch meine Auseinandersetzung mit den Erkenntnissen der modernen neurobiologischen Forschung  halte ich die strikte Trennung zwischen seelisch und organisch nicht für sinnvoll und richtig. 

Erlebnisse können die Chemie und Funktion des Gehirns ebenso verändern, wie Substanzen (Medikamente, aber auch Rauschmittel und  Drogen). 

Insofern habe ich mich entschieden, wenn nötig,  auch in Psychotherapien begleitend Medikamente zu verordnen und andererseits auch bei Menschen, die in erster Linie wegen der Medikation zu mir kommen, den psychosozialen Hintergrund immer mit in den Fokus zu nehmen.